Management- und Vertriebsexperte Dirk Heinrich im Interview

5 Min. Lesezeit
29. November 2019

Dirk Heinrich – Coach/Trainer/Moderator/Keynote Speaker - ist eine Führungspersönlichkeit mit 30-jähriger Erfahrung im Management und Vertrieb. Sein Weg führte ihn im Hersteller-, Handels- und Onlinebereich über alle Stationen bis zum „Chef“ eines bedeutenden PC- und Notebookherstellers.

Dirk-Heinrich

Dirk Heinrich

Dadurch hat er ebenso Kenntnisse der B2B wie auch B2C Sichtweise. Mit seinen ausgewiesenen Managementfähigkeiten in mittelständischen Unternehmen und internationalen Konzernen, begleitet und coacht er – gemeinsam mit seinen Partnern - Führungskräfte und wirkt in der Organisationsentwicklung als Trainer.


Die ersten Gedanken zu New Work – was wären Ihre, Herr Heinrich?

Das Erste, was ich damit verbinde, ist die unglaubliche Breite an Möglichkeiten, die sich dadurch ergibt. Das fängt beim Recruiting neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, über die Loyalität dem Unternehmen gegenüber bis hin zur Nutzung digitaler Tools.

Das ist aber auch gleichzeitig die Herausforderung: diese ganzen Möglichkeiten sondieren und sich als Organisation darin verorten. Wo grenze ich mich ab, wo öffne ich den Raum für neue Ideen. Damit einher gehen Regelwerke zur Zusammenarbeit, welche sich immer mehr ins Digitale entwickelt – dort die eigenen Kompetenzen zu trainieren, stellt Unternehmen vor eine Herausforderung.

Erleben Sie, dass Führungskräfte New Work auch falsch verstehen?

Im Sinne, dass digitale Tools dafür zur Verfügung stehen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 24/7 erreichen zu können – dann, ja. New Work ist ein Führungsstil, neben den technologischen Möglichkeiten, und sollte nicht verwechselt werden mit New Tools. Diese allein greifen schlichtweg zu kurz, wenn ich nicht den Großteil der Belegschaft im Boot habe und eine echte, vielleicht auch radikale, Veränderung in der Zusammenarbeit herbeiführen möchte.

Führungskräfte der Zukunft müssen weg von reinen Prozessen, hin zu mehr Menschlichkeit – stimmen Sie dem zu?

Ganz klar, ja. Seit der Finanzkrise vor einigen Jahren, war das Bedürfnis nach Managerinnen und Managern, die zahlenorientiert geführt haben, groß. Durch Trends wie der Digitalisierung, der zunehmenden Transparenz von Informationen und letztlich damit auch der Wissenskultur, entwickelte sich aber der Bedarf, zum Menschen zurückzukehren. Nicht zuletzt durch die neue Generation, die auf den Markt drängt.

Idealerweise vereint eine Führungskraft beides – wirtschaftliches Denken und soziale Kompetenz. Das übt natürlich einen Druck auf die Personen aus und es ist auch nicht jeder Menschentyp dafür geeignet, auf einer sozialen Ebene mit Kolleginnen und Kollegen umzugehen. Muss auch klar gesagt werden.

Bedarf besteht aus meiner Sicht, die Brücke zwischen diesen beiden Kompetenzen zu schlagen und auch zu verstehen, welche Organisation was vermehrt braucht. Die Schulung der Belegschaft auf beispielsweise neue Tools ist dabei eher ein Hilfeschrei, da man sich nicht sicher ist, an welchem Ende mit der Veränderung begonnen werden soll.

Im Zusammenhang mit New Work hört man auch immer wieder, dass Organisationen agiler werden müssen. Wie erleben Sie das?

Das ist ein beliebtes Schlagwort: Einführung eines agilen Managements. Die Frage ist dann immer, wo soll die Agilität gelebt werden? Bei vielen Unternehmen findet das im oberen Management schon mal nicht statt, im mittleren vielleicht, aber es soll definitiv bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etabliert werden. Damit nimmt man sich als Organisation jedoch die Entwicklungsmöglichkeit, denn wenn sich „oben“ nichts ändert, wieso sollten es andere dann toll finden?

Führungskräfte mit viel Verantwortung sind keine Liebhaber von Veränderungen, denn es bedeutet auch, sich selbst bewegen zu müssen. Einen neuen Führungsstil zu erlernen dauert und ist nicht sofort von Erfolg gekrönt. Es bedeutet Arbeit und heißt für die Führungskraft auch Unsicherheit aushalten zu müssen. Begleitet von Trainings und Gesprächen, ist das jedoch gut in den Griff zu bekommen.

Sind digitale Tools der Inbegriff der neuen Art des Arbeitens?

Das ist ein Missverständnis bei einigen Unternehmen. Ein digitales Tool wird nicht brauchbar, nur weil es eventuell im O365 Paket mitgeliefert worden ist. Man sollte sich immer die Nutzenfrage dabei stellen. Wenn niemand im Vorhinein die Belegschaft involviert und fragt, ob und wie man es brauchen, welche Systeme es ersetzen könnte – dann wird es schwierig mit der Akzeptanz. Es existiert dann parallel zu anderen Kanälen und schläft wieder ein, weil es keinen Wandel in der Zusammenarbeit gegeben hat und womöglich auch keinen Nutzen stiftet.

Darin liegt die Chance, es als Unternehmen anders zu machen. Den Kolleginnen und Kollegen zu erklären, was das Konzept dahinter ist, wie lange es dauern wird, was man in den nächsten drei Monaten erwarten kann. Das wäre eine sinnvolle Begleitung, die Hürden nimmt. Achtung dabei vor Bullshit Bingo, denn durch ein neues Tool wird man nicht gleich eine agile Organisation. Dazu braucht es schon etwas mehr.

Wenn ich mir überlege, dass Slack beispielsweise den Mailverkehr ersetzen soll, wird das in Unternehmen mit einer technischen Einschulung, einem Leitfaden im Intranet und vielleicht noch einer Nachschulung begleitet. Das ist natürlich zu wenig, da man den ganzen Prozess der echten und täglichen Zusammenarbeit außer Acht lässt und damit auch den der Veränderung. Hier wäre es sinnvoll, Möglichkeiten zum Austausch auf Prozessebene zu schaffen – organisatorisch als auch menschlich.

Ist Ihnen New Work in der jetzigen Unternehmensumsetzung bereits individualisiert genug?

Viele lassen sich blenden, von dem was alles möglich ist. Man sieht große Projekte von anderen Unternehmen und will diese Möglichkeiten auch für sich nutzen. Das ist im Grundgedanken gut, aber dadurch, dass man es bei anderen gesehen hat wie es funktionieren kann, lässt man sich zu wenig Zeit in der Strategiefindung. Man springt mehr oder weniger gleich in die Umsetzung.

Die Begeisterung für Neues nimmt Überhand und man stellt sich schon bildlich vor wie es sein wird, wenn das neue System alle nutzen. Die Realität ist aber, dass es wohl kein Unternehmen gibt, bei dem die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterfordert sind. Aus Anwendersicht packt man ein Tool, ein System eigentlich nur noch oben drauf.

Das wird auch bei Digitalisierungsprojekten sichtbar, bei denen Ansätze übernommen und gleich in die Umsetzung gebracht werden. Wie viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf vorbereitet sind oder wie viel früher man diese Veränderung ankündigt, wird recht stiefmütterlich behandelt. Da gibt es Nachholbedarf bei Organisationen.

Sieht die neue Generation Arbeit anders oder ist das eher eine Typenfrage?

Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass das Thema der neuen Generation schon sehr lange durch das Dorf getrieben wird. Ja natürlich kommt eine neue Generation, aber das kennen wir schon – in beinahe jeder Dekade kommt eine gänzlich neue Welle an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf den Arbeitsmarkt.
Durch die digitale Welt hat die jetzige Generation einen technischen Vorsprung und hat damit andere Voraussetzungen für die neue Art des Arbeitens.

Nichtsdestotrotz muss nicht alles was in den letzten 60 Jahren an Strategie und Entwicklung geleistet wurde, über den Haufen geworfen werden. Niemand muss seine Firma komplett umbauen, weil die Generation Y oder Z am Arbeitsmarkt ist. Ich muss sie allerdings anders in das Unternehmen einführen, als es vor zehn Jahren der Fall war. Das zieht eine erhöhte menschliche und empathische Komponente nach sich – aber die neuen Generationen sind keine Aliens, die man mit Skepsis betrachten muss. Sie entsprechen eigentlich dem unternehmerischen Geist, nach Ergebnis und nicht nach Anwesenheit gemessen zu werden.

Was ist Ihr persönliches Fazit zu New Work?

Aus den letzten Jahren kann ich berichten, dass Führungskräfte diesem Thema schon wesentlich offener gegenüberstehen und der Wille daran teilzuhaben groß ist. Nicht bei jeder und jedem im gleichen Ausmaß, aber das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Veränderung ist da.

Es passieren in der Umsetzung immer wieder Fehler, wie beispielsweise wahnsinnig lange Prozesse oder wiederum zu kurze Konzeptphasen. Das Gefühl ist oft, dass man die Ideen der neuen Arbeitswelt noch on top, zum schon gedrängten Arbeitsalltag, aufgestapelt bekommt. Das kann natürlich kein guter Nährboden für Wandel sein. Die Ideenwelt von New Work ist aus meiner Sicht bei Organisationen angekommen, aber das Erleben sowie am Leben erhalten von neuen Konzepten und Arbeitsweisen – da holpert es noch.

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